Manchmal früher fragte ich mich, warum Abelone die Kalorien ihres
großartigen Gefühls nicht an Gott wandte. Ich weiß,
sie sehnte sich, ihrer Liebe alles Transitive zu nehmen, aber konnte
ihr wahrhaftiges Herz sich darüber täuschen, daß Gott
nur eine Richtung der Liebe ist, kein Liebesgegenstand? Wußte
sie nicht, daß keine Gegenliebe von ihm zu fürchten war?
Kannte sie nicht die Zurückhaltung dieses überlegenen
Geliebten, der die Lust ruhig hinausschiebt, um uns, Langsame, unser
ganzes Herz leisten zu lassen? Oder - wollte sie Christus vermeiden?
Fürchtete sie, halben Wegs von ihm aufgehalten, an ihm zur
Geliebten zu werden? Dachte sie deshalb ungern an Julie Reventlow?
Fast glaube ich es, wenn ich bedenke, wie an dieser Erleichterung
Gottes eine so einfältige Liebende wie Mechthild, eine so
hinreißende wie Therese von Avila, eine so wunde wie die Selige
Rose von Lima, hinsinken konnte, nachgiebig, doch geliebt. Ach, der
für die Schwachen ein Helfer war) ist diesen Starken ein Unrecht;
wo sie schon nichts mehr erwarteten, als den unendlichen Weg, da tritt
sie noch einmal im spannenden Vorhimmel ein Gestalteter an und
verwöhnt sie mit Unterkunft und verwirrt sie mit Mannheit. Seines
stark brechenden Herzens Linse nimmt noch einmal ihre schon parallelen
Herzstrahlen zusamm, und sie, die die Engel schon ganz für Gott
zu erhalten hofften, flammen auf in der Dürre ihrer
Sehnsucht.
(Geliebtsein heißt aufbrennen. Lieben ist: Leuchten mit
unerschöpflichem Öle. Geliebtwerden ist vergehen, Lieben ist
dauern.)
Es ist gleichwohl möglich, daß Abelone in späteren
Jahren versucht hat, mit dem Herzen zu denken, um unauffällig
und unmittelbar mit Gott in Beziehung zu kommen. Ich könnte mir
vorstellen, daß es Briefe von ihr giebt, die an die aufmerksame
innere Beschauung der Fürstin Amalie
Galitzin erinnern; aber wenn diese Briefe an jemanden gerichtet waren,
dem sie seit Jahren nahestand, wie mag der gelitten haben unter ihrer
Veränderung. Und sie selbst: ich vermute, sie fürchtete
nichts als jenes gespenstische Anderswerden, das man nicht merkt,
weil man beständig alle Beweise dafür, wie das Fremdeste,
aus den Händen läßt.
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