Am reichsten an beinah unfaßbaren Erfahrungen waren aber doch die
Geburtstage. Man wußte ja schon, daß das Leben sich darin
gefiel, keine Unterschiede zu machen; aber zu diesem Tage stand man
mit einem Recht auf Freude auf, an dem nicht zu zweifeln
war. Wahrscheinlich war das Gefühl dieses Rechts ganz früh
in einem ausgebildet worden, zu der Zeit, da man nach allem greift
und rein alles bekommt und da man die Dinge, die man gerade
festhält, mit unbeirrbarer Einbildungskraft zu der grundfarbigen
Intensität des gerade herrschenden Verlangens steigert.
Dann aber kommen auf einmal jene merkwürdigen Geburtstage, da
man, im Bewußtsein dieses Rechtes völlig befestigt, die
anderen unsicher werden sieht. Man möchte wohl noch wie
früher angekleidet werden und dann alles Weitere
entgegennehmen. Aber kaum ist man wach, so ruft jemand draußen,
die Torte sei noch nicht da; oder man hört, daß etwas
zerbricht, während nebenan der Geschenktisch geordnet wird;
oder es kommt jemand herein und läßt die Türe offen,
und man sieht alles, ehe man es hätte sehen dürfen. Das ist
der Augenblick, wo etwas wie eine Operation an einem geschieht. Ein
kurzer, wahnsinnig schmerzhafter Eingriff. Aber die Hand, die ihn
tut, ist geübt und fest. Es ist gleich vorbei. Und kaum ist es
überstanden, so denkt man nicht mehr an sich; es gilt, den
Geburtstag zu retten, die anderen zu beobachten, ihren Fehlern
zuvorzukommen, sie in ihrer Einbildung zu bestärken, daß
sie alles
trefflich bewältigen. Sie machen es einem nicht leicht. Es
erweist sich, daß sie von einer beispiellosen Ungeschicklichkeit
sind, beinahe stupide. Sie bringen es zuwege, mit
irgendwelchen Paketen hereinzukommen, die für andere Leute
bestimmt sind; man läuft ihnen entgegen und muß hernach
tun, als liefe man überhaupt in der Stube herum, um sich Bewegung
zu schaffen, auf nichts Bestimmtes zu. Sie wollen einen
überraschen und heben mit oberflächlich nachgeahmter
Erwartung die unterste Lage in den Spielzeugschachteln auf, wo weiter
nichts ist als Holzwolle; da muß man ihnen ihre Verlegenheit
erleichtern. Oder wenn es etwas Mechanisches war, so überdrehen
sie das, was sie einem geschenkt haben, beim ersten Aufziehen. Es ist
deshalb gut, wenn man sich beizeiten übt, eine überdrehte
Maus oder dergleichen unauffällig mit dem Fuß
weiterzustoßen: auf diese Weise kann man sie oft täuschen
und ihnen über die Beschämung forthelfen.
Das alles leistete man schließlich, wie es verlangt wurde, auch
ohne besondere Begabung. Talent war eigentlich nur nötig, wenn
sich einer Mühe gegeben hatte, und brachte, wichtig und
gutmütig, eine Freude, und man sah schon von weitem, daß es
eine Freude für einen ganz anderen war, eine vollkommen fremde
Freude; man wußte nicht einmal jemanden, dem sie gepaßt
hätte: so fremd war sie.
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