Nicht daß uns, da wir (plötzlich) erwachsen sind
und plötzlich mit-schuldig an unvor-
denklicher Schuld der Erwachsenen; Mitwisser plötzlich
aller Gewissen -, nicht daß uns dann ein Häscher errät
und handfest hinüber zerrt und zurück
ins vergangne Gefängnis, wo von der Zeit nur
Abwässer sind, die weggeschüttete Zukunft,
draus eine Welle manchmal mit fast ihm
entgangener Hand der Gefangene aufhebt, sie
über den kahlge-
schorenen Kopf hinschüttend wie irgendein Kommen,
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das nicht <ist unser Ärgstes>; sondern die Kerker
von früh an
die sich aus unserem Atem bilden, aus einer zu zeitig
verstandenen Hoffnung, aus selber
unserem Schicksal. Aus der noch eben
rein durchdringlichen offenen Luft, aus jedem Geschauten.

Wie so mag ein Mädchen auf einmal durch Gitter
seiner Noch-Kindheit den Liebbaren sehn, getrennter
als in Legende. Ihm gegenüber
aufschaun, um ins Vorfrauliche traurig
abzugleiten von ihm.
O der Getrennten sind mehr. Jahrzehnt und Jahrtausend
von Gesicht zu Gesicht. Und zwischen Erkannten
steht vielleicht im Kerker der Kindheit das besser,
das unendlich berechtigte Herz.

<Mann, sei wie ein Engel,
wenn die Begegnung geschieht und es geht noch das Mädchen
eingelassen einher im Gleichnis der Kindheit.
<Nicht ein Begehrender, welcher bestünde>  
Sei wie ein Engel. Laß sie nicht rückwärts. Weiter
gieb ihr die Freiheit. Über das bloße
Lieben gieb ihr die Gnade der Liebe. Bewußtsein
gieb ihr der Ströme. Kühnheit der Himmel
stürze um sie. Durch den empfundenen Herzraum
wirf ihr die Vögel>
<Kerker unsägliche, unvermutete Kerker>

Aus: Die Gedichte 1910 bis 1922 (Wien, Anfang 1916)