(1899)
Er ist der Sohn der schönen Fürstin von Ascoli. Sein
Vater war irgend ein Abenteurer, er nannte sich damals Marquis Pemba.
Aber die Fürstin liebt gerade diesen Sohn. Er erinnert
sie an einen Garten, an Venedig und an einen Tag, da sie schöner
war als sonst. Darum soll dieser Sohn das Leben haben und einen Namen:
Marchese von Villavenetia. Der Marchese von Villavenetia. Der Marchese
ist ein schlechter Schüler. Er liebt, den Falken auf der Hand zu
fühlen. Sein Lehrer sagt ihm einmal (und der Lehrer weiß
nicht viel von der Jagd): »Wie, wenn der Falke einmal nicht
wiederkehrt?« »Dann, dann - « sagt der Zögling
sehr erregt - »dann werd ich selbst Flügel
spüren.« Und er wird ganz rot, als ob er sich verraten
hätte. Später, um sein fünfzehntes Jahr, wird er eine
Weile still und fleißig. Er liebt die schöne Herzogin Julia
von Este. Ein Jahr lang liebt er sie so, - dann geht er und befriedigt
sich bei einer blonden Magd - und hat die Liebe vergessen. jetzt
beginnen rasche, rauschende Tage. Sein Degen hat selten Nacht. Er kommt
nach Venedig und muß an einen Garten denken. Ein Jahr lang sucht
er diesen Garten, dann findet er Valenzia. Sie ist groß, golden
und stolz. Er kann sie nicht zugleich mit den anderen denken. Er denkt
sie überhaupt nicht, er küßt sie. Aber sie hat einen
Geliebten. Man sagt sogar, daß sie einen Gatten hat, aber der
Geliebte ist gefährlicher. Der Marchese kennt ihn längst. Es
gibt seit einem Jahrhundert überall Bilder von ihm. Sie
hängen in den dunkelsten Sälen, gewöhnlich über
einer Tür, damit die Kinder sie nicht sehen sollen. Sie haben den
bösen Blick. Und der Marchese fühlt sich verfolgt davon. Er
sieht in jedem Weinglas gespiegelt: diese dunkle, geheimnisvolle,
gedrängte Stirn und die geraden schwarzen Brauen an ihrem Saum. Er
wird schreckhaft. Er zuckt bei tausend Gelegenheiten zusammen und lacht
dann sehr laut. Eines Nachts, da der Vorhang des breiten Bettes sich
gerührt hat, springt er aus dem Fenster des Palazzo der Signora in
den Kanal. Er hört Schüsse, kommt aber bis zur
Piazzetta, wo Fischer ihm helfen.
Zehn Jahre später fährt er nach Venedig, nur um sich
jenes Fenster anzusehen. Es ist von feinstem Stil, ein Spitzbogen mit
Zierat, nicht überladen. Das befriedigt ihn. Er ist noch jung,
Sekretär des Kardinals Borromeo, und erkennt Venedig wieder. Bei
einem Feste sieht er auch Valenzia. Sie ist ganz wie damals, sie kommt
auf ihn zu: aber er ist ein anderer, er verneigt sich sehr tief und
zieht sich mit dem Senator Gritti zu einem ernsten Gespräch
zurück. Gerade vor Ostern wird er Kardinal. Am Auferstehungstag
fühlt er die schwere violette Seide von seinen gesunden Schultern
rauschen. Er freut sich an den schönen Knaben, die ihm die
Schleppe tragen, er freut sich an dem Licht, an dem Glanz, und der
Gesang steigt ihm zu Kopf wie Duft von Weinbergen. Über ein Jahr
bei den Osterfesten fehlt der Kardinal. Er lebt auf einem seiner
Güter und schmückt seine Gärten. Am großen Sonntag
sitzt er über den Plänen eines neuen Schlosses. Vielleicht
läßt San-Sovin sich noch erbitten, es zu bauen, Am Abend
fällt einem Günstling ein, daß Ostern ist. Der Kardinal
lacht. Man rüstet rasch ein Fest, und die Mädchen aus
Carmagnola kommen, zweimal fünfzig Mädchen.
Der Kardinal hat große Gastlichkeit. Überall
erzählt man von ihm. Das Volk hält ihn für einen
Zauberer. Zwanzig Maler sind um ihn, zehn Bildhauer arbeiten in seinen
Parken, und jeder Dichter vergleicht ihn mit irgendeinem Gott. Eines
Tages empfängt er Valenzia. Die Signora ist strahlender als je. Er
gibt ihr täglich Feste. Mitten im schönsten wird dem Kardinal
durch einen reitenden Boten ein Brief gebracht. Er liest, wird
blaß und reicht ihn Valenzia. Am Abend reist die Signora ab nach
Rom. Sie hat Freunde dort unter den Kardinälen. - In der Nacht
erwacht der Kardinal. Er liest noch einmal den Brief, und sein liebster
Knabe hält ihm die Fackel dazu. Die letzten Worte sind: Der Papst
ist tot.
Drei Tage später erhält der Kardinal einen Brief von
der alten Herzogin von Ascoli, seiner Mutter, aus Rom. Es ist der erste
Brief von ihr. Sie beglückwünscht ihn zu irgend etwas. Er
versteht es nicht ganz. Aber am Abend beruft man ihn dringend nach Rom.
Da begreift er und nimmt sich vor, seiner Mutter einen Giorgione zu
schenken.
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