(1893)
In der Ecke eines Zimmers stand ein Schwert. Die helle,
stählerne Fläche seiner Klinge erglänzte, vom Strahle
der Sonne berührt, in rötlichem Scheine. Stolz hielt das
Schwert Umschau im Zimmer; es sah, daß alles sich an seinem
Glasten weidete. Alles? - Nicht doch! Dort auf dem Tische lag,
müßig an ein Tintenfaß gelehnt, eine Feder, der es
nicht im mindesten einfiel sich vor der glitzernden Majestät jener
Waffe zu beugen. - Das ergrimmte das Schwert und es begann also zu
sprechen: »Wer bist du wohl, nichtswürdig Ding, daß du
nicht gleich den andern vor meinem Glanz dich beugst und ihn
bewunderst? Sieh nur um dich! Alle Geräte stehen ehrfurchtsvoll in
tiefes Dunkel gehüllt. Mich allein, mich hat die helle
beglückende Sonne zu ihrem Liebling erkoren; sie belebt mich mit
ihrem wonnigen Flammenkusse, und ich lohne ihrs, indem ich ihr Licht
tausendfach widerstrahle. Mächtigen Fürsten nur ziemt es, in
leuchtendem Gewande daherzuschreiten. Die Sonne kennt meine Macht,
darum legt sie mir den königlichen Purpur ihrer Strahlen um die
Schultern.«
Lächelnd erwiderte drauf die besonnene Feder:
»Sieh doch, wie eitel und stolz du bist und wie du dich
brüstest mit dem erborgten Glanze! Sind wir doch beide - besinne
dich - ganz nahe Verwandte. Beide hat uns die sorgende Erde geboren,
beide sind wir im Urzustand vielleicht im selben Gebirge neben einander
gestanden Jahrtausende lang; bis der Menschen geschäftiger
Fleiß die Ader des nützlichen Erzes, deren Bestandteile wir
waren, entdeckte. Beide nahm man uns weg; beide sollten wir,
ungefüge Kinder der rauhen Natur noch, über der Hitze der
dampfenden Esse, unter des Hammers mächtigen Schlägen zu
nützlichen Gliedern des irdischen Treibens umgeschaffen werden.
Und so auch geschah es. Du wurdest ein Schwert - bekamst eine
große und feste Spitze; ich, eine Feder, wurde mit einer
dünnen, zierlichen bedacht. Sollen wir wirklich schaffen und
wirken, müssen wir uns erst die glänzende Spitze benetzen. Du
mit dem Blute, ich - nur mit - Tinte!«
»Diese Rede, in gelehrtem Stile gehalten«, fiel
nun das Schwert ein, »macht mich lachen fürwahr. Ist es doch
grade, als wollte die Maus, das kleine nichtige Tierchen, ihre nahe
Verwandtschaft mit dem Elefanten beweisen. Die spräche dann so wie
du! Denn auch sie hat gleich dem Elefanten vier Beine und hat sich
sogar eines Rüssels zu rühmen. So könnte man glauben,
sie seien zum wenigsten Vettern! Du hast, liebe Feder, sehr schlau und
berechnend jetzt das nur genannt, worin ich dir gleiche.
Ich aber will dir erzählen, was uns unterscheidet. Ich, das
glänzende, stolze Schwert, werde um die Hüfte geschnallt von
einem kühnen, edlen Ritter; dich aber dich steckt ein altes
Schreiberlein hinter sein langes Eselsohr. Mich erfaßt mein Herr
mit kräftiger Hand und trägt mich in die Reihen der Feinde; ich
führe ihn hindurch. Dich, beste Feder, führt dein Magister
mit zitternder Hand über vergilbtes Pergament. Ich wüte
furchtbar unter den Feinden, springe mutig, tollkühn bald her,
bald hin; du kratzest in ewiger Monotonie über dein Pergament hin
und wagst dich nicht ein Stückchen aus jenen Bahnen, die dir die
führende Hand vorsichtig weist. Und endlich, endlich - geht meine
Kraft zu Ende, werde ich alt und schwach, dann ehrt man mich, wie es
Helden geziemt, stellt mich im Ahnensaale zur Schau und bewundert mich.
Was aber geschieht mit dir? Ist dein Herr mit dir unzufrieden, wirst du
alt und beginnst du mit dicken Strichen über das Papier
hinzukreuchen, packt er dich, entreißt dich dem Stiele, der dir
Stütze war, und wirft dich weg, wenn er nicht Gnade übt und
dich mit ein paar deiner Schwestern um wenige Kreuzer einem
Trödler verkauft.«
»Du magst ja in mancher Beziehung«, versetzte die
Feder sehr ernst, »so unrecht nicht haben. Daß man mich oft
gering schätzt, ist ja wahr, ebenso wie, daß man mich,
nachdem ich unbrauchbar geworden bin, sehr übel behandelt. Doch
deswegen ist die Macht, die mir zu Gebote steht, solange ich arbeiten
kann, keine geringe. Es kommt ja nur auf eine Wette an!«
»Du wolltest mir eine Wette anbieten?«
lachte das übermütige Schwert.
»Wofern du wagst, dieselbe anzunehmen.«
»Und ob ich sie annehme«, versetzte das
Schwert, das sich noch immer nicht vom Lachen erholen konnte.
»Was gilt die Wette?«
Die Feder aber setzte sich zurecht, nahm eine strenge
Amtsmiene an und begann:
»Wir wollen wetten, daß ich imstande bin, dich zu
hindern, deiner Arbeit, dem Kampfe, nachzugehen, wenn ich will!«
»Ho, ho, das klingt ja kühn.«
»Bist du's zufrieden?«
»Ich gehe darauf ein.«
»Nun wohl«, sagte die Feder, »laß uns
sehen.«
Es waren wenige Minuten seit dem Abschlusse dieser Wette
vergangen, als ein junger Mann in reichem Waffenkleide eintrat, das
Schwert faßte und sich dasselbe anlegte. Hierauf betrachtete er
wohlgefällig die blanke Klinge. Von draußen erschallte
heller Trompetenruf, Trommelwirbel - es ging zur Schlacht. Eben wollte
der junge Mann das Zimmer verlassen, als ein anderer, der eine hohe
Stelle bekleiden mußte, wie man aus seinem reichen Schmucke
ersah, eintrat. Der junge verneigte sich tief vor ihm. Der
Würdenträger war indessen an den Tisch getreten, hatte die
Feder erfaßt und eilends etwas hingeschrieben. »Der
Friedensvertrag ist schon unterzeichnet«, sagte er
lächelnd. Der Jüngere stellte sein Schwert wieder in die
Ecke, und beide verließen das Zimmer.
Auf dem Tische aber lag die Feder. Der Sonnenstrahl spielte
mit ihr, und ihr feuchtes Erz glitzerte hell.
»Ziehst du nicht zum Kampfe, mein liebes Schwert«
fragte sie lächelnd.
Das Schwert aber stand still in der finsteren Ecke. Ich
glaube, es prahlte nie wieder.
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