Zweiter Act, dritte Scene:
Der Gatte: .......................und du liebst ihn, Irma?
Sie: (Gattin): offen - ja!
Er: Gut, dass du so offen bist.
Sie: Du verdienst es; belügen werde ich dich nie!
Er: Diese Wahrheit schmerzt. Freilich - ich hätte bedenken sollen,
als ich dich heiratete: du bist jung und - ich.......
Sie: Nicht doch. - Du handeltest damals ganz recht. Ich will mich nicht
von dir lossagen; ich vermöchte es nicht; - denn..... denn.....ich
(zögernd) ich schätze - dich.
Er: Mein Kind......
Sie: Du sagtest mir oft: Ich könnte nicht ohne Dich sein, Irma, du
verstehst mich; du bist mir geistig ebenbürtig.
Er: Du
bist es
Sie: Wohl - nun höre: Lass mich geistig dein Weib sein - geistig -
begreifst du? --- und meinen Leib.........
Er: (entsetzt) Irma!
Sie: Was erschrickst du? Ich gebe Dir mein besseres Theil.
Er: (bebend) Irma!
Sie: (ohne aufzuhorchen) Den Geist, das Göttliche, Ewige Dir,
Mann, Dir!
Er: (zögernd) und jenem?
Sie: Die sündige, eitle Lust, der der Ekel folgt auf den Fersen....
Er: Mir schaudert vor dir.
Sie: (Näher tretend) Freund, mein Gedanke ist groß. Wie viel
Elend, wie viel geheimer Frevel würde aus der Welt schwinden, wenn
alle ihn zu denken imstande wären.
Er: Nein, Weib, du sprichst im Wahn - (steigernd) entweder bist du
mein mit Leib und Selle mein, - (schreiend) mein!.....
Sie: (kalt) Bezähme Dich!
Er: Aber....
Sie: Ich hielt Dich für größer. So bist auch du, du den
Europa zu den Leuchten des Wissens zählt, von dieser
läppischen Kleinlichkeit befangen, die Geist und Körper immer
auf einen Rahmen spannt? Dass ich dir doch die Augen öffnen
könnte!
Er: (sieht sie starr an)
Sie: Ha, ich sehe du fühlst die gigantische Wucht meines
Riesenplanes.
Er: (macht eine Gegenbewegung)
Sie: Ich weiß was du sagen willst. Dies Verhältnis ist gegen
die Natur. Nichtwahr, das schwebte Dir auf den Lippen?
Wie kurzsichtig du bist? Thor bei all deiner Weisheit. Blick hinaus!
Dem einen Strauche hat die Natur bloß Blüten gegeben, holde,
keusche, duftige Triebe; - bei anderen fallen die Blumenblättchen
bald ab und es drängt die brutal, sinnliche Frucht hervor. - Ist
es im Leben anders? Den Einen, den großen, ewig-keuschen Kindern,
den Künstlern, sollen nur Blüten zu eigen sein. Geistige
Keime nur, unsterbliche Triebe sollen in ihrer reinen Seele enstehen
und sich emporheben in ein sonniges, seliges Dasein. Dem thierischen
Gezücht aber, dem kommt die Frucht zu, die gemeine berauschende
Frucht. Kind du! Mit den großen, träumerischen Augen, in
denen tausend Ideale schimmern - weißhaariges Kind, du
ertrügst ihn ja gar nicht den zerstörenden, wüthenden
Brand der sinnlichen Liebe.
Er: (nachdenklich) Vielleicht ..... aber warum kannst du, die du mir
ebenbürtig bist im Geiste nicht auch wie ich so.... so...
Sie: So geistig - willst du sagen - ausharren? Warum? Weil das Weib ein
Doppelwesen ist von Natur göttlich und hündisch zugleich.-
Unsere Seele bleibt rein , wenn die süße Begierde im Feuer
der
Sünde schmilzt, und das grässliche Gift der berückenden
Lust besudelt nicht den Geist des schwachen, bebenden Weibes. Zu geilem
Genuss hat die Natur uns gemacht, aber die eigene Kraft verlieh uns die
bessere Seele.
Das Weib ist ein Buch, Bibelsprüche stehen drin, aber der Einband
ist mit den Farben der Sünde bemalt. Hast du denn in keinem der
tausend Bücher die du gelesen und wieder gelesen Aufklärung
gefunden über dieses Doppelding, dieses Zwitterwesen?
Er: Wenn dem so wäre?
Sie: Zweifelst du noch? Es ist so. -
Mein Geist haftet an
Deinem, ein unsichtbares
Moospflänzchen am riesigen Stamme, mein
Leib, mein
vergängliches Leben an jenem jungen, glutäugigen Tollkopf.
Er: Aber Irma - ich liebe Dich...
Sie: ...und weil du mich liebst, musst du mich begreifen.
Er: ...Gott!
Sie: Denn weil du mich liebst, darfst du mich nicht tödten, - und
du tödtest mich - wenn........
Er: (kleinlaut) Aber geistig, geistig bist du - mein!
Sie: (mit Pathos) Immer! - So bist du gut, so erkenn ich den Weisen,
der erhaben steht über dieser verblendeten Welt! Dank! Das wird
ein göttliches Dasein! Du, er, ich - zwischen euch beiden - dein
und ihm gehörig an der Schwelle zweier Welten: hier Licht, dort
Dunkel; hier Weisheit, dort Verblendung! - Du - Halbgott! - ich und
jener ein unbeschreiblicher Bund. Alle Triebe, die das Leben
durchpulsen feindlich und zürnend - in uns versöhnt in einem
weltendurchtönenden, dröhnenden, herrlichen
Dreiklang!...........
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Applaus, Applaus, Applaus! -
"Neu, herrlich, kraftvoll...." allgemeines Urthe<i>l.
Die Klugen aber munkelten in den Couloirs: "Sonderbar, sonderbar dieses
Stück!"
"Und hast du gesehen" - flüsterte ein junger Mann laut genug - wie
bleich M....... war, wie greisenhaft; wie leer und glanzlos seine
Augen. Adda dagegen das reine Leben. Sie kümmerte sich wenig um
ihn, aber sie sprach unablässig nach rückwärts - und
lachte." Im Hintergrunde der Loge war ein junger Mann gesessen. Niemand
kannte ihn.
"Sonderbar, sonderbar."
Und die Gruppen lösten sich.
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Am nächsten Morgen brachten
die Tagesblätter lange Besprechungen über M´s Drama.
Auf der letzten Seite des Hauptblattes aber war in gesperrten Lettern
zu lesen:
"Wie uns eben von S. telephoniert wird, ist der große M. heute
nachts einem Schlaganfall erlegen. Diese jähe Trauerkunde wird
allenthalben Schrecken und Theilnahme hervorrufen. Die Ärzte,
welche nurmehr den Tod des greisen Meisters constatieren
konnte<n>, meinten, dass gerade die freudige Erregung des
gestrigen Abends dem Verewigten gefährlich geworden. Wie wir
vernehmen blieb M....... nach der Vorstellung noch im Kreise
seiner Familie bis gegen Mitternacht und sprach freudig über den
Erfolg seines Werkes; wer hätte geahnt, dass es sein letztes sein
werde - "Der Dreiklang".-
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Ende.