(vermutlich
zweite Hälfte 1894)
.......Es war im April des Jahres 188.... Ich
war
gezwungen meine Wohnung zu wechseln. Mein Hausherr hatte sein Haus
verkauft und der neue Besitzer war entschlossen, das Stockwerk, in
welchem mein bescheidenes Zimmer sich befand, ungeteilt zu vermieten.
Ich suchte lange nach einem anderen erfolglos. Endlich nahm ich des
Suchens müde fast ungeschaut ein Kämmerchen im dritten Stocke
eines Gebäudes, dessen Längsseite keinen unbedeutenden Teil
der engen Seitengasse einnahm.
Mein Zimmer erschien mir gleich in den ersten Tagen recht heimlich.
Durch die beiden kleinen Fenster, deren vielfach geteilte Scheiben das
Alter des Hauses erraten ließen, schaute ich weit über graue
und rote Dächer, über rußige Schornsteine hinweg die
blauen Berge und konnte die aufgehende Sonne betrachten, die als
glühende Kugel auf dem verschwommenen Hügelrande lehnte.
Meine eigenen Möbel, die ich hatte herbeischaffen lassen, machten
den beengten Raum wohnlicher, als ich anfangs hoffte, und die
Bedienung, die die Hausbesorgerin übernommen hatte, ließ
nichts zu wünschen übrig. Die Treppe war nicht allzusteil und
konnte unmerklich erstiegen werden, ja, wenn ich in Gedanken
hinanschritt, fühlte ich mich gar verleitet, bis auf den Dachboden
zu klimmen. Kurzum ich war zufrieden, zumal in dem dunklen Hofe weder
Kinder spielten noch - Leierkästen.
Jahre sind ins Land gegangen seither. - Die Zeit, von der ich
erzähle, liegt für mich im Dämmern der Vergangenheit,
und die grellen Farben der Ereignisse sind verblaßt und
verschwommen. Mir ist, als spräche ich von einer Begebenheit, die
nicht mir selbst, sondern einenm Anderen, vielleicht einem guten
Freunde zugestoßen ist. Ich muß daher nicht
befürchten, daß mich die Selbstliebe zu einer Lüge
verleitet: ich schreibe offen klar und wahrheitsgemäß.
Ich war nicht viel zuhause damals. Früh um halb acht ging ich ins
Amt, speiste mittags in einem billigen Gasthause und verbrachte so oft
es anging den Nachmittag im Hause meiner Braut. Ja, ich war verlobt
damals. Hedwig - ich will sie so nennen - war jung, liebenswürdig,
gebildet und - was in den Augen meiner Genossen am schwersten ins
Gewicht fiel - reich. Sie entstammte einer älteren
Kaufmannsfamilie, die es durch Sparsamkeit und Fleiß endlich
dahin gebracht hatte, ein Haus zu führen, das auch die jungen
Kavaliere gerne besuchten, weil bei aller Vornehmheit ein ungezwungener
Frohsinn dort herrschte, der die Langeweile nicht aus den Teetassen
steigen ließ. Die jüngste Tochter des Hauses, Hedwig, war
übrigens jedermanns Liebling, weil sie mit ihrer Bildung eine
gewisse liebenswürdige Leichtfertigkeit vereinte, die die
gleichgiltigste Unterhaltung interessant und reizvoll machte. Sie
besaß mehr Herz und Gemüt, als die beiden älteren
Schwestern, war aufrichtig, heiter, und - es ist gewiß, daß
ich sie liebte. -
Ich kann offen reden. Sie heiratete später, ein Jahr nachdem das
Verlöbnis gelöst war, einen jungen, adligen Offizier, starb
aber, nachdem sie ihm das erste Kind, ein blondlockiges
Töchterchen, geschenkt hatte. -
In ihrem Elternhause, wo sich täglich eine größere
Gesellschaft befand, blieb ich gewöhnlich bis gegen die sechste
Abendstunde, machte dann meinen Spaziergang, besuchte das Theater und
kehrte um zehn Uhr nachts nachhause zurück, um den nächsten
Tag dieselbe Lebensweise fortzuführen.
Früh, wenn ich meine drei Treppen langsam niederstieg, traf ich
auf dem Vorraume des ersten Stockes stets den Hausbesorger, der die
weißen Steinfließe reinigte. Er grüßte und
begann ein Gespräch. Tag für Tag dasselbe. Vom Wetter erst,
dann, wie ich zufrieden sei mit meiner Wohnung und dergleichen. Da der
Alte nie enden wollte, fragte ich ihn immer nach seinen Kindern worauf
er seufzte und zwischen zusammengepreßten Zähnen
hervorstieß: »'s ist ein Kreuz! Die machen Sorge,
Herr!« Damit wars zu Ende. - Einmal, an einem Dienstag,
erkundigte ich mich, nur um etwas zu sagen, wer denn neben mir wohne. -
Die Frage ward beantwortet, just wie sie gestellt war: nur so-oben hin.
»Eine Nähterin, ein armes Ding, ein
häßliches....« murrte er, ohne vom Boden aufzusehen.
Das war Alles.
Ich hatte diese Auskunft längst vergessen, als ich sie - die
Näherin, wie ich damals richtig vermutete - im dämmerigen
Flur des Hauses traf. An einem Sonntagvormittag war es. Ich hatte
länger geschlafen und ging eben aus, während sie, ein kleines
Buch in der Hand, wahrscheinlich aus der Kirche zurückekehrte.
Eine armselige Gestalt: zwischen den spitzen Schultern, die ein
verschossener, grüner, fast bis zur Erde reichender Mantel deckte,
wiegte sich der Kopf, in dem zuerst die lange, dünne Nase und die
hohlen Wangen auffielen. Die schmalen, leicht geöffneten Lippen
zeigten unsaubere Zähne, das Kinn war eckig und sprang weit vor.
Bedeutend in diesem Gesichte schienen nur die Augen. Nicht daß
sie schön gewesen wären, aber sie waren groß und sehr
schwarz - wennauch glanzlos. So schwarz, daß das tiefdunkle Haar
fast grau erschien. - Ich weiß nur, daß der Eindruck, den
dies Wesen auf mich machte, keineswegs ein angenehmer war. Ich glaube
sie sah mich nicht an. Indessen blieb mir keine Zeit über diese
gleichgültige Begegnung weiter nachzudenken, da ich knapp vor dem
Tore einem Freunde in die Hände fiel, in dessen Gesellschaft ich
den ganzen Vormittag verbrachte. Dann vergaß ich überhaupt,
daß ich eine Nachbarin hatte, zumal es, trotzdem wir hart
Tür an Türe waren, nebenan Tag und Nacht ganz stille blieb. -
So wäre es wohl fortgegangen, wenn nicht eines Nachts durch Zufall
- oder wie soll ich es nennen - das Unerwartete, Niegeahnte geschehen
wäre.
Im Hause meiner Braut fand in den letzten Tagen des April eine
Gesellschaft statt, die, lange besprochen und vorbereitet, ganz
trefflich verlief und bis spät in die Nacht dauerte. Gerade an
jenem Abende hatte ich Hedwig entzückend gefunden. Ich plauderte
lange mit ihr im kleinen, grünen Salon, und hörte voll
Freude, wie sie halb ironisch, aber voll kindlicher, inniger
Naivität das Bild unseres zukünftigen Hausstandes entwarf,
wie sie all die kleinen Freuden und Leiden mit den grellsten Farben
malte, und sich auf unser Glück freute, wie ein Kind auf den
Christbaum. Ein angenehmes Gefühl der Zufriedenheit durchstrahlte
wie eine wohltuende Wärme meine Brust, und auch Hedwig gestand
damals, mich noch nie so heiter gesehen zu haben. - Dieselbe Stimmung
beherrschte übrigens die ganze Gesellschaft: Toast folgte auf
Toast. So kam es denn, daß man sich um drei Uhr morgens immer
noch recht ungern trennte. - Drunten fuhr Wägen um Wagen vor. Die
wenigen Fußgänger zerstreuten sich bald nach allen Seiten.
Ich hatte mehr denn eine halbe Stunde zu gehen und so beschleunigte ich
ziemlich meine Schritte, umsomehr, als die Aprilnacht kalt und
nebeldüster war. Ich war mit mdnen Gedanken beschäftigt und
es schien mir gar nicht so lange gedauert zu haben, als ich schon vor
der Haustür stand. Langsam sperrte ich auf und schloß das
Tor vorsichtig hinter mir. Brannte dann ein Zündholz an, welches
mir durch die Vorhalle bis zur Treppe leuchten sollte. Es war
übrigens das letzte, das ich besaß. Es löschte bald.
Die Treppe tappte ich, immer noch der schönen Stunden des
vergangenen Abends denkend, hinan. Nun war ich oben. Ich steckte den
Schlüssel in die Tür, drehte einmal um, öffnete
langsam........
Da stand sie vor mir. Sie. - Eine matte, fast herabgebrannte
Kerze erhellte dürftig das Zimmer, aus dem mir ein unangenehmer
Dunst von Schweiß und Fett entgegenschlug. Sie stand in einem
schmutzigen, weitoffenen Hemde und einem dunklen Unterrock am Ende des
Bettes, schien gar nicht erstaunt und blickte mich nur unverwändt
mit starren Augen an . -
Ich war offenbar in ihr Zimmer geraten. Aber ich war so befangen, so
festgebannt, daß ich nicht ein Wort der Entschuldigung sagte,
aber auch nicht ging. Ich weiß, daß mich ekelte; aber ich
blieb. Ich sah wie sie an den Tisch trat, den Teller mit den
verstreuten Überresten eines zweifelhaften Mahles beiseite schob,
vom Sessel die Kleider wegnahm, die sie ausgezogen, - und mich setzen
hieß. Mit leiser Stimme, indem sie sagte: »Kommen
Sie.«
Auch der Klang dieser Stimme war mir zuwider. Aber wie einer
unbekannten Macht folgend, gehorchte ich. Sie sprach. Ich weiß
nicht worüber. - Dabei saß sie am Rande ihres Bettes. Ganz
im Dunkel. Ich sah nur das bleiche Oval dieses Gesichts und hie und da,
wenn die verlöschende Kerze auflohte, die großen Augen. -
Dann erhob ich mich. Ich wollte gehen. Die Klinke an der Tür
leistete Widerstand. Sie kam mir zuhilfe. Da - in meiner Nähe
glitt sie aus, - und ich mußte sie auffangen. Sie schmiegte sich
an meine Brust, und ich fühlte ganz nahe ihren glühenden
Atem. Er war mir unangenehm. Ich wollte mich los machen. Allein ihre
Augen ruhten so starr in den meinen, als webten diese Blicke ein
unsichtbares Band um mich. Sie zog mich immer mehr an sich, immer mehr.
Sie drückte heiße, lange Küsse auf meine
Lippen......... Da verlöschte die Kerze. -
Am anderen Morgen erwachte ich mit schwerem Kopf, Kreuzschmerzen und
bitterer Zunge. Neben mir in den Kissen des Bettes schlief sie. Das
blasse eingefallene Gesicht, der magere Hals, dieser flache
entblößte Busen flößte mir Schrecken ein. Ich
richtete mich langsam auf. Die dumpfige Luft lastete auf mir. Ich
blickte mich um: der schmutzige Tisch, der abgenutzte, dünnbeinige
Sessel, die eingegangene Blume aufdem Fensterbrett - Alles machte den
Eindruck des Elenden, Verkümmerten. Da regte sie sich. Sie legte
wie träumend eine Hand auf meine Schulter. Ich betrachtete diese
Hand; die langen dickknöcheligen Finger mit den schmutzigen,
kurzen, breiten Nägeln, die Haut an den Spitzen braun und
zerstochen..... Mich ergriff ein Abscheu vor diesem Wesen. Ich sprang
empor, riß die Tür auf, und rannte in mdn Zimmer. Dort ward
mir leichter. Noch weiß ich, daß ich bei meiner Tür
den Riegel vorschob - so weit es ging. -
Tag um Tag verging in ganz derselben Weise,
wie
früher. Einmal, vielleicht eine Woche später, als ich mich
schon zu Ruhe begeben hatte, stieß ich zufällig mit dem
Ellenbogen gegen die Wand. Ich vernahm, daß dieses unabsichtliche
Klopfen sofort beantwortet wurde. Ich blieb still. - Dann schlummerte
ich ein. Im Halbschlaf plötzlich schien mir, daß meine
Tür geöffnet würde. Im nächsten Augenblick
fühlte ich einen Körper, der sich an mich schmiegte. Sie war
bei mir. In meinen Armen verbrachte sie die Nacht. Ich wollte sie
fortschicken, oft. Aber sie blickte mich mit ihren großen Augen
an, und das Wort erstarb auf der Lippe. O es war entsetzlich, die
warmen Glieder dieses Wesens neben mir zu fühlen, dieses
häßlichen, frühgealterten Mädchens; und doch fand
ich nicht die Kraft.....
Endlich beschloß ich der Sache ein Ende zu machen. Mir kam es wie
ein Verbrechen vor gegen meine Braut, das Bett mit diesem Weibe zu
teilen, das sich mit solcher Aufdringlichkeit an mich schmiegte, und
das doch nichteinmal - das Recht der Liebe besaß! -
Ich kam viel zeitiger nachhause und verriegelte sofort meine Türe.
Als die neunte Abendstunde heranrückte. kam sie. Da sie die
Tür versperrt fand, ging sie wieder weg; sie mochte wähnen
ich sei nicht zuhause. Aber ich war unvorsichtig. Ich schob den sch
weren Schreibtischsessel etwas jäh zurück. Das mußte
sie vernomme haben. Im nächsten Augenblicke pochte es. Ich blieb
still. Noch einmal. Dann ungeduldig ohne Unterlaß. Jetzt
hörte ich sie schluchzen - lange, lange.... Die halbe Nachr
mußte sie an meiner Türe verbracht haben. Aber ich war stark
geblieben; ich fühlte, daß dieses Ausharren den Zauber
gebrochen hatte. -
Den nächsten Tag traf ich sie auf der Treppe. Sie ging sehr
langsam. Als ich ganz in ihrer Nähe war, schlug sie die Augen auf.
Ich erschrak: In diesen Augen lag ein unheimliches Flimmern und
Drohen.... Ich lachte über mich selbst. - Ich war doch ein rechter
Tor! Dieses Mädchen! Und ich schaute ihr nach, wie sie so
schwerfällig die Füße auf die Steinstufen setzte und
hinabhinkte...... Am Nachmittage brauchte der Chef meiner, so
daß der gewohnte Besuch bei Hedwig unterbleiben mußte.
Abends, als ich in meine Stube kam, fand ich einen Brief des Vaters
meiner Braut vor, der mich in das größte Erstaunen
versetzte. Er lautete:
»Unter den obwaltenden Verhältnissen werden Sie es
begreifen, daß ich mich zu meinem eigenen, größten
Bedauern gezwungen sehe, die Verlobung mit meiner Tochter aufzuheben.
Ich dachte Hedwig einem Manne anzuvertraun, den keine anderweitigen
Verpflichtungen binden. Derartige Erfahrungen seinem Kinde
möglichst zu ersparen, ist Vaterpflicht. Sie werden, geehrter Herr
von B....., mein Vorgehen verstehen, wie auch ich überzeugt bin,
daß Sie mich selbst gewiß noch rechtzeitig von der Lage der
Dinge unterrichtet hätten. - Im Übrigen stets der
Ihre......«
Wie mir zumute war, ist schwer zu beschreiben. Ich liebte Hedwig. Ich
hatte mich in die Zukunft, die sie selbst so reizend entworfen hatte,
schon eingelebt. Ich konnte mir mein Schicksal ohne sie nicht denken.
Ich weiß, daß mich zuerst ein heftiger Schmerz
übermannte, der mir Tränen in die Augen trieb, ehe ich Zeit
fand nachzudenken, welchem Einflusse ich diese sonderbare
Zurückweisung zu verdanken hatte. Denn sonderbar war sie auf jeden
Fall. - Ich kannte Hedwigs Vater, der die Gewissenhaftigkeit und
Gerechtigkeit selbst war, und wußte, daß nur ein
bedeutendes Ereignis ihn zu diesem Vorgehen bewogen haben konnte. Denn
er achtete mich und war zu besonnen mir Unrecht zu tun. Ich schlief die
ganze Nacht nicht. Tausend Gedanken durchkreuzten meinen Kopf. Endlich
gen Morgen entschlummerte ich vor Müdigkeit. Beim Erwachen
bemerkte ich, daß ich vergessen hatte, die Tür zu
verriegeln. Indessen sie war nicht bei mir gewesen. Ich atmete
erleichtert auf.
Ich kleidete mich eilig an, entschuldigte für ein paar Stunden
mein Fernbleiben vom Amte und eilte zur Wohnung meiner Braut. Ich fand
das Tor verschlossen, und als auf mein wiederholtes Läuten niemand
erschien, dachte ich sie seien ausgefahren. Der Hausbesorger
könnte ja leicht im Hofe beschäftigt sein, wo er die Glocke
nicht hörte. - Ich beschloß am Nachmittage zur
gewöhnlichen Stunde zu kommen.
So tat ich auch. - Der Hausbesorger öffnete, machte erstaunte
Augen und sagte, ich müßte ja doch wissen, daß die
Herrschaften abgereist seien. Ich erschrak, tat aber, als sei ich von
Allem unterrichtet, und verlangte nur Franz, den alten Diener, zu
sprechen. Der erzählte mir denn auch haarklein, daß Alle,
Alle abgereist sei'n, nachdem gestern nachmittag eine merkwürdige
Szene sich abgespielt hätte.
»lch stand«, so sprach er, »hier im Vorraum, putzte
die Tafelbestecke, als ein Frauenzimmer heruntergekommen und elend
eintrat und mich ersuchte, sie zu Fräulein Hedwig zu führen.
Natürlich gab ich nicht nach, - man muß die Leute doch erst
kennen.......« Ich nickte eifrig. - Mir kam ein Gedanke....
»Na und kurz und gut«, fuhr der schwatzhafte Alte fort,
»sie machte auf meine Weigerung hin solange ein Geschrei und
Gezeter, bis der gnädige Herr heraustrat. Den bat sie nun und
beschwor, sie bringe wichtige Nachrichten. Er nahm sie in sein Cabinet.
Eine Stunde blieb sie drin. Eine Stunde, gnädiger Herr! Dann kam
sie heraus, küßte dem gnädigen Herrn die
Hand......«
»Wie sah sie aus?« unterbrach ich ihn.
»Blaß, mager, häßlich.«
»Groß?«
»Recht groß.«
»Augen?«
»Schwarz, auch die Haare.« Der Alte schwatzte noch weiter.
Ich wußte genug. - Alle Worte des entsetzlichen Briefes wurden
mir klar: Verpflichtungen!.... Bitterer Groll regte sich in mir. Ich
ließ den Diener stehen und stürzte hinab. Ich lief durch die
Straßen bis zu meinem Hause. Vor dem Tor standen ein paar Leute
beisammen. Männer und Weiber. Sie sprachen heftig und leise. Ich
stieß sie rauh beiseite. Dann drei Treppen hinan ohne Atemholen.
Ich mußte zu ihr, ihr sagen... Ich wußte nicht was ich
sagen würde, aber ich fühlte, daß mir die rechte Zeit
die rechten Worte leihen werde....
Auch auf der Treppe begegnete ich Männern. Ich achtete ihrer
nicht. Oben. - Ich riß die Tür auf. Heftiger Carbolgeruch
drang mir entgegen. Ein hartes Wort erstarb mir auf den Lippen. Da lag
sie auf den grauen Linnen des Bettes in bloßem Hemde. Den Kopf
weit zurück, die Augen geschlossen. Die Hände hingen schlaff.
Ich trat näher. Sie zu berühren wagte ich nicht. - Mit den
klaffenden Lippen und den unterlaufenen Augenlidern machte sie ganz den
Eindruck einer Ertrunkenen. Mich schauerte. Ich war allein im Zimmer.
Die scheidende, kalte Sonne beschien den schmutzigen Tisch - den
Bettrand.... Ich beugte mich zu dem Weibe. Ja, sie war tot. Die Farbe
des Gesichtes war bläulich. Ein übler Geruch ging von ihr
aus. Und ein Ekel erfaßte mich, ein Abscheu...
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