Das Schicksal liebt es, Muster und Figuren zu erfinden. Seine
Schwierigkeit beruht im Komplizierten. Das Leben selbst aber ist
schwer aus Einfachheit. Es hat nur ein paar Dinge von uns nicht
angemessener Größe. Der Heilige, indem er das Schicksal
ablehnt, wählt diese, Gott gegenüber. Daß aber die
Frau, ihrer Natur nach, in Bezug auf den Mann die gleiche Wahl treffen
muß, ruft das Verhängnis aller Liebesbeziehungen herauf:
entschlossen und schicksalslos, wie eine Ewige, steht sie neben ihm,
der sich verwandelt. Immer übertrifft die Liebende den Geliebten,
weil das Leben größer ist als das Schicksal. Ihre Hingabe
will unermeßlich sein: dies ist ihr Glück. Das namenlose
Leid ihrer Liebe aber ist immer dieses gewesen: daß von ihr
verlangt wird, diese Hingabe zu beschränken.
Es ist keine andere Klage je von Frauen geklagt worden:
die beiden ersten Briefe Heloïsens enthalten nur sie, und
fünfhundert Jahre später erhebt sie sich aus den Briefen der
Portugiesin; man erkennt sie wieder wie einen Vogelruf. Und
plötzlich geht durch den hellen Raum dieser Einsicht der Sappho
fernste Gestalt, die die Jahrhunderte nicht fanden, da sie sie im
Schicksal suchten.
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