Damals zuerst fiel es mir auf, daß man von einer Frau
nichts sagen könne; ich merkte, wenn sie von ihr erzählten,
wie sie sie aussparten, wie sie die anderen nannten und beschrieben,
die Umgebungen, die Örtlichkeiten, die Gegenstände bis an
eine bestimmte Stelle heran, wo das alles aufhörte, sanft und
gleichsam vorsichtig aufhörte mit dem leichten, niemals
nachgezogenen Kontur, der sie einschloß. Wie war sie? fragte
ich dann. »Blond, ungefähr wie du«, sagten sie und
zählten allerhand auf, was sie sonst noch wußten; aber
darüber wurde sie wieder ganz ungenau, und ich konnte mir nichts
mehr vorstellen. Sehen eigentlich konnte ich sie nur, wenn
Maman mir die Geschichte erzählte, die ich immer wieder
verlangte -.
- Dann pflegte sie jedesmal, wenn sie zu der Szene mit dem Hunde kam,
die Augen zu schließen und das ganz verschlossene, aber
überall durchscheinende Gesicht irgendwie inständig zwischen
ihre beiden Hände zu halten, die es kalt an den Schläfen
berührten. »Ich hab es gesehen, Malte«, beschwor sie:
»Ich hab es gesehen.« Das war schon in ihren letzten
Jahren, da ich dies von ihr gehört habe. In der Zeit, wo sie
niemanden mehr sehen wollte und wo sie immer, auch auf Reisen, das
kleine, dichte, silberne Sieb bei sich hatte, durch das sie alle
Getränke seihte. Speisen von fester Form nahm sie nie mehr zu
sich, es sei denn etwas Biskuit oder Brot, das sie, wenn sie allein
war, zerbröckelte und Krümel für Krümel aß,
wie Kinder Krümel essen. Ihre
Angst vor Nadeln beherrschte sie damals schon völlig. Zu den
anderen sagte sie nur, um sich zu entschuldigen: »Ich vertrage
rein nichts mehr, aber es muß euch nicht stören, ich
befinde mich ausgezeichnet dabei.« Zu mir aber konnte sie sich
plötzlich hinwenden (denn ich war schon ein bißchen
erwachsen) und mit einem Lächeln, das sie sehr anstrengte,
sagen: »Was es doch für viele Nadeln giebt, Malte, und wo
sie überall herumliegen, und wenn man bedenkt, wie leicht sie
herausfallen ...« Sie hielt darauf, es recht scherzend zu
sagen; aber das Entsetzen schüttelte sie bei dem Gedanken an alle
die schlecht befestigten Nadeln, die jeden Augenblick irgendwo
hineinfallen konnten.
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