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von helle » 31. Aug 2006, 20:39
Es sind ja mehrere Fragen in Deinen letzten Beiträgen, und die Sache mit dem Rühmen, Oh sage, Dichter ..., und der Frage, ob Rilke ein religiöser Dichter war, gehören ja zusammen. Allerdings wird mir schon bei dieser Art Gretchen-Frage etwas mulmig. Ob Rilke ein religiöser Dichter war oder nicht, ich frage mich ob die darin liegende Alternative nicht schon verkehrt ist. Etwas paradox formuliert, glaube ich, daß Rilke weder ein religiöser Dichter noch kein religiöser Dichter war, sondern sozusagen beides zugleich. Jedenfalls kenne ich kein religiöses Bekenntnis (aber das Bekenntnis zum Hiesigen). Es gibt diese Bemerkung bei ihm, trotz der vielen Maria- und Mariengeschichten, auf die ich aber jetzt nicht eingehen will, vom Telephon Christus, in das man hineinfragt und es ist nie jemand da, ich kann das jetzt nur paraphrasieren. Das Alte war ihm lieber als das Neue Testament wegen der Landschaft und der Sprache, und über den Islam äußert er sich auch sehr wohlwollend, mindestens in seiner Zeit in Toledo und Südspanien 1912/13, er hört eine Stimme darin stark wie der Herbststurm in der Orgel sagt er etwa, und Buddhist war er, wenn man ihn ein bißchen hin und her zieht, mit Sicherheit auch. Also all diese Etikettierungen taugen nichts, damit ist einer wie Rilke nicht zu fassen und festzunageln, das wäre ja armselig. Dagegen glaube ich, daß er, wie auch George, dessen Auftreten ihn mal schwer beeindruckt hatte, seinem eigenen, dichterischen Amt durchaus priesterliche Züge beimaß und verlieh, als einer Art des Kündens und Verkündens, am Ende des Rühmens, wobei dieses Rühmen schwer erkauft und dem eigenen und geschichtlichen Dasein abgerungen war und nix selbstverständliches, sondern bis dahin mußte Rilke erst durch allerlei Qualen und Widerstände durch. Ich meine durch die ganzen Fatalitäten des Lebens wie Not und Elend, Krieg (1. Weltkrieg hat ihn mächtig mitgenommen), Armut, Gebrechen, Krankheit und Tod, und das Rühmen aber trotzdem und unter Einbeziehung und im Angesicht dieser Sachen. Das ist das eine, das andere ist, daß ich dieses Rühmen nicht wie Du auf das sachliche Sagen der Ding-Gedichte beziehen will, sondern glaube, daß es schon der nächste Schritt ist und darüberhinaus, vom gerechten Anschauen der Dinge telles quelles, so wie sie sind, hin zu ihrer Aufhebung und Verwandlung ins orphische Bewußtsein, gemäß den schönen Worten aus der »Wendung« (1914):
»Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze.
Und die geschautere Welt
will in der Liebe gedeihn.
Werk des Gesichts ist getan,
tue nun Herz-Werk«
– Gruß von helle