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Frühe Kindheit in Prag (1875-1882)
René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke wird am 4. Dezember 1875 in Prag geboren. Sein Vater Josef Rilke (1838-1906) ist nach einer gescheiterten Militärlaufbahn Beamter in einer Prager Eisenbahngesellschaft. Die Mutter Sophie (1851-1931) ist Tochter eines Kaufmannes und Kaiserlichen Rats. Sie fühlt sich unter ihrem Stande verheiratet und trennt sich 1885 von ihrem Mann, um in die Nähe des Kaiserlichen Hofes nach Wien zu ziehen. Auch das Verhältnis zu ihrem Sohn ist gespannt. Sie zieht René bis zu seiner Einschulung als Mädchen groß - mit Puppen, Kleidchen und langen Zöpfen.

Schulzeit (1882-1895)
Seine ersten vier Schuljahre verbringt Rilke auf einer katholischen Klosterschule in Prag. Er ist ein guter Schüer, aber weil ein Gymnasium zu teuer ist, soll er die Offizierslaufbahn einschlagen. Er kommt auf eine Militärschule in Österreich. Auch hier schneidet Rilke in den theoretischen Fächern sehr gut ab. Die körperlichen Anforderungen und der rauhe Umgang der Mitschüer sind für den sensiblen Jungen jedoch eine wachsende Belastung. Nach der Versetzung auf die Militär-Oberrealschule 1890 sind seine Kräfte schließlich erschöpft. Rilke bricht die Ausbildung ab.
Gesundheitlich kuriert kommt René auf Beschluß der Eltern im Herbst 1891 auf die Handelsschule in Linz. In dieser Zeit veröffentlicht er sein erstes Gedicht in einer Zeitung, und er fixiert sich immer mehr auf die Literatur. Die Schule bricht er nach einem Jahr endgültig ab, um 1892 für Privatstudien nach Prag heimzukehren. Mit der finanziellen Unterstützung eines Onkels holt er in drei Jahren das nötige Wissen nach, und er besteht die Reifeprüfung 1895 "mit Auszeichung". Darauf schreibt sich René an der Prager Universität ein für die Fächer Geschichte, Kunst und Literatur. Auf elterlichen Wunsch belegt er auch ein Semester Rechtslehre.

München (1896-1899)
1896 geht Rilke als Student der Philosophie nach München, damals ein kosmopolites Zentrum. Im folgenden Jahr lernt er die 36-jährige Lou Andreas-Salomé kennen. Die Tochter eines Petersburger Generals und einer Deutschen ist eine schillernde Persönlichkeit der Münchner Geisteswelt. Sie hat sich literarisch bereits mit mehreren Büchern etabliert. So ist Lou die Autorin der ersten Biografie Friedrich Nietzsches, mit dem sie eine vorübergehende, enge Freundschaft verbunden hatte. Als Rilke sie trifft, ist sie bereits zehn Jahre mit dem Orientalisten Friedrich Karl Andreas verheiratet. In ihrem Verhältnisses mit dem jungen Dichter ist sie Rilke Geliebte, mütterliche Freundin und intellektuelle Lehrerin zugleich. Sie vermittelt ihm Nietzsches Gedankenwelt und begeistert ihn für ihre Heimat, Rußland. Unter Lous Einfluß ändert er selbst seine Handschrift und den Vornamen (von "René zu "Rainer").

© 1998 Thilo v. Pape